
Diskurs um die
„Bekannte Unbekannte“
Neben der praktischen gestalterischen und vermittelnden Arbeit rund um das Stadt- oder auch Knet-stempeln, setzen wir uns auch theoretisch damit auseinander und treten mit verschiedenen Partner_innen in den Dialog, um Gedanken zu sortieren, Blicke aus anderen Disziplinen hinzuzunehmen und zu erörtern, was die Methode kann und (in uns) hinterlässt.
Im Rahmen der Vienna Design Week haben 3 diskursive Formate, hier „Sichtungen“ genannt, stattgefunden: Ein Talk in der Ausstellung im musa mit der Architektin und Buchkünstlerin Anna-Maria Wolf und dem Mediensoziologen Marc Ries, ein gemeinsames Analysieren von Methoden zur Raumaneignung zusammen mit Kollektiv Raumstation Wien in der Alten WU und ein Gespräch mit Kai Rosenstein vom Team des World Design Capital Frankfurt/Rhein Main 2026 im Rahmen deren Auftritt bei der Vienna Design Week.
Es folgt ein Auszug aus dem Gespräch am 27.9.25 mit Anna-Maria Wolf und Marc Ries:
MK Im öffentlichen Raum ist man unter Beobachtung. „Was machen die da?“ Hin und wieder sprechen Leute uns an. Man kommt den Dingen schließlich sehr nah. Man berührt sie und macht etwas, was man von aussen nicht so richtig einschätzen kann in dem Moment.
LS Es steckt auch eine Utopie dahinter – die ganze Welt aufnehmen zu wollen. Wir haben jetzt in Wien vielleicht insgesamt zwei Quadratmeter Stempeldruck gemacht. Das kann unendlich weitergehen.
Das Arbeiten mit der Knete ist so niedrigschwellig, dass andere das nun auch viel machen. Es ist spannend zu wissen, dass andere zeitgleich auch mit Knetstempel arbeiten, irgendwo auf der Welt. Wir sehen Videos aus Bogotá oder aus Spanien oder manchmal auch nur aus der Nachbarstadt, wo dann plötzlich die gleiche Methode im öffentlichen Raum angewendet wird. Das ist auch ein bisschen irritierend, aber auch interessant, dass das so ansteckt. Dass alle berühren wollen und fasziniert sind davon.
AMW Man kann schon sagen, dass Menschen immer dieses Gefühl haben oder dieses Bedürfnis etwas festzuhalten. Eigentlich ist dann der Fotoapparat oder mittlerweile ist die Fotofunktion am Mobiltelefon, die gängigste Methode. In der heutigen Zeit, wo die Speicherkapazität unendlich ist und man fotografiert ohne Ende, hat man tausende Fotos und schaut sie nie wieder an. Von dem her ist es eine totale Konzentration mit der Stempeltechnik, dass man wirklich eine präzise Auswahl trifft, was man jetzt genau eigentlich festhalten möchte. Und das Festhalten, beim Halten ist es schon diese Haptik eigentlich integriert im Wort. Also man möchte etwas halten – und halten ist berühren. Und wenn man ein Foto macht mit dem Telefon oder mit dem Fotoapparat, dann hat das ja nichts mit Berühren zu tun. Es braucht sogar die Distanz damit es funktioniert.
LS Es ist nur die Fingerspitze auf dem Display.
AMW Genau, aber der Gegenstand, der abgebildet wird, der wird nicht berührt. Wenn ich so nah hingehe, dann wird das Foto nichts. Also von dem her ist ja das Festhalten eigentlich mit der Knetstempel-Technik wirklich direkt möglich. Also dass man wirklich ganz nah hingeht und wirklich nur sich einmal auch Gedanken darüber macht, welchen Ausschnitt möchte ich denn jetzt überhaupt festhalten. Und nicht: Ich mache mal so ein großes Foto und dann kann ich mir später ja noch immer reinzoomen, was ich jetzt genau anschauen möchte.
MR Ich glaube die Verzweiflung ist schnell einmal da mit dem Stempel vor einer unheimlichen Vielfalt an Dingen zu stehen. Und dann aber sehr wohl auswählen zu müssen und immer sich klar zu machen, ich kann nur einen winzigen Teil aufnehmen, mitnehmen, berühren, wie auch immer. Also die Auswahl, diese Kunst des Wählens, des Auswählens, die kommt da dazu. Und am Anfang ist man wahrscheinlich euphorisch und will halt alles Mögliche. Aber irgendwann ist klar, es bleibt bei so ganz minimalen Spuren.
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